KI soll helfen mehr Ernte mit weniger Wasser, Dünger und Arbeit zu erzeugen. Marktstudien sehen die Agrar KI-Branche vor einem langen Wachstumspfad doch hohe Einstiegskosten und fehlendes Knowhow bremsen viele Betriebe noch aus.

Künstliche Intelligenz kommt in der Landwirtschaft aus der Nische. Algorithmen steuern Bewässerung und Maschinen, Kameras erkennen Schädlinge im frühen Stadium und Sensoren melden, wenn die Kuh lahmt. Parallel wächst ein eigener Agrar KI-Markt, der nach Schätzungen verschiedener Studien im Schnitt mehr als 20 % pro Jahr zulegt.

Experten sprechen von einem neuen Megatrend und erwarten für die nächsten fünf Jahre ein Wachstum von über 20 % jährlich in diesem Segment. Marktforscher bei Grand View Research schätzen den globalen Marktwert für KI in der Landwirtschaft auf 1,91 Mrd. USD im Jahr 2023 und 2,44 Mrd. USD im Jahr 2024. Bis 2030 soll das Volumen auf 9,55 Mrd. USD steigen, was einem durchschnittlichen Plus von 25,5 % pro Jahr entspricht.

Künstliche Intelligenz verändert Felder und Ställe weltweit

Im Zentrum steht Präzisionslandwirtschaft. KI-Systeme werten Daten aus Sensoren, Drohnen und Satelliten aus und geben Empfehlungen, wo Wasser, Dünger oder Pflanzenschutzmittel wirklich nötig sind. Algorithmen könnten helfen, den Ausstoß zu maximieren oder den Input zu minimieren. Ziel ist, Erträge zu steigern und Ressourcen zu sparen.

Computer Vision, also KI-gestützte Bilderkennung, erkennt Krankheiten oder Nährstoffmängel direkt am Blatt. Die Technik kann Unkraut von Nutzpflanzen unterscheiden und Roboter ansteuern, die punktgenau jäten. Laut der digitalen Beratungsfirma Intellias wurden so etwa Wachstumsphasen bei Weizen und der Reifegrad von Tomaten mit hoher Genauigkeit automatisch erfasst.

Auch im Stall zieht die Technik ein. Sensoren und Kameras überwachen Bewegungsmuster von Rindern, bewerten Körperkondition und Futteraufnahme. Lösungen wie die von CattleEye analysieren Videodaten und schlagen Alarm, wenn sich Tiere ungewöhnlich verhalten. Parallel halten automatisierte Fütterungssysteme und Melkroboter Einzug, die sich mit KI-Modellen koppeln lassen.

Analysten sehen Agrar KI-Markt mit starkem Wachstum

Grand View Research sieht 2023 den größten Anteil der Umsätze bei Software mit 53,9 %. Hierzu zählen Farmmanagement Systeme, Analyseplattformen und KI-Modelle für Prognosen. Am schnellsten wächst jedoch die Hardwaresparte mit Sensoren, Drohnen und vernetzten Maschinen, die überhaupt erst die Datenbasis liefern.

Beim Blick auf die Technologien dominieren derzeit maschinelles Lernen und Deep Learning, mit denen sich historische Wetterdaten, Bodenzustände und Ertragszahlen auswerten lassen. Darüber werden Erträge geschätzt, optimale Aussaatzeitpunkte berechnet oder Krankheitsrisiken bewertet. Die Bilderkennung wird als Teilsegment zwar noch kleiner, soll aber laut Marktforschern am schnellsten wachsen, weil Kameras im Feld und in Sortieranlagen immer günstiger werden.

Regional führen Nordamerika mit einem Marktanteil von 35,9 % im Jahr 2023 und Europa mit starkem Fokus auf Umweltauflagen. Gleichzeitig sehen Studien für Asien-Pazifik das schnellste Wachstum. China und Indien investieren massiv in Smart Farming Programme und digitale Landwirtschaftsmissionen, während Projekte wie eine vollständig automatisierte vertikale Farm mit 20 Etagen in China zeigen, wie weit KI-gestützte Produktion gehen kann.

Nicht alle Höfe können sofort mitziehen. Intellias verweist auf hohe Einstiegskosten, fehlende Infrastruktur und unzureichendes Knowhow in vielen Regionen. Hinzu kommen offene Fragen zu Datensicherheit und Haftung, wenn kritische Entscheidungen automatisiert getroffen werden. Experten betonen, dass KI-Lösungen nur funktionieren, wenn Landwirte geschult werden und parallel schrittweise eine digitale Infrastruktur aufgebaut wird.

Maschinenbauer und Tech-Konzerne bauen Angebote aus

An der Börse treten die meisten Gewinner nicht als klassische Agrarbetriebe auf, sondern als Zulieferer. John Deere (ISIN: US2441991054, WKN: 850866) stattet Traktoren und Erntemaschinen mit Assistenzsystemen, Sensorik und Software aus, die Fahrspuren optimieren und Echtzeitdaten aus dem Feld liefern. CNH Industrial verfolgt ähnliche Strategien und arbeitet an selbstfahrenden Maschinen für Aussaat und Ernte.

Auf der Inputseite modernisieren Bunge (ISIN: BMG169621056, WKN: 762269) und Archer Daniels Midland (ISIN: US0394831020, WKN: 854161) ihre Lieferketten mit Datenanalyse und künstlicher Intelligenz, um Transportströme und Handel mit Agrarrohstoffen zu steuern. Im Tiergesundheitsbereich entwickeln Zoetis (ISIN: US98978V1035, WKN: A1KBYX) und IDEXX neue Diagnostik und Therapien, die auf sensorgestützten Daten aus Ställen aufbauen.

Gleichzeitig drängen klassische Tech Konzerne in die Branche. Microsoft arbeitet mit Bayer an einer Cloud Plattform für landwirtschaftliche Daten, IBM nutzt seine KI-Systeme für Wetterprognosen und Ertragsmodelle, während Cloud Anbieter wie Amazon Web Services und Chipentwickler wie Nvidia die Recheninfrastruktur stellen. Saatgut- und Pflanzenschutz Spezialist Corteva baut mit der Plattform Corteva Catalyst ein eigenes Netzwerk für Agrar Innovationen auf.

Für die Betriebe selbst dürfte sich das Berufsbild des Landwirts deutlich verändern. Intellias schreibt, man könne KI nicht einfach kaufen und benutzen. Landwirte würden sich von reinen Handwerkern zu Planern und Datenmanagern entwickeln. Ob kleine und mittlere Höfe diesen Wandel bewältigen, hängt nicht nur von Technik und Preisen ab, sondern auch von Beratung, Bildung und politischen Rahmenbedingungen. Sicher ist nur, dass ohne digitale Helfer die Produktivität kaum ausreichen wird, um eine wachsende Weltbevölkerung unter schwieriger werdenden Klima- und Umweltbedingungen zu ernähren.