Robotaxis in US Städten, Lieferroboter in Asien, autonome Militärfahrzeuge im Einsatz in der Ukraine der Markt für autonome Systeme wächst rasant. Wer profitiert und warum die Studien so unterschiedliche Zahlen melden.
Autonome Fahrzeuge und Drohnen rücken vom Pilotprojekt zum Massenmarkt. Mehrere neue Studien rechnen mit zweistelligen jährlichen Wachstumsraten und einem globalen Markt, der binnen weniger Jahre in die hohen Milliarden oder sogar Billionen US-Dollar hineinwachsen könnte. Gleichzeitig klaffen die Zahlen je nach Definition weit auseinander.
Eine Analyse von Grand View Research veranschlagt den weltweiten Markt für autonome Fahrzeuge im Jahr 2024 auf 68,09 Mrd. USD und erwartet bis 2030 einen Anstieg auf 214,32 Mrd. USD. Das entspricht einer jährlichen Wachstumsrate von 19,9 % im Zeitraum 2025 bis 2030. Nordamerika kommt demnach 2024 auf einen Anteil von gut 37 %, während die Region Asien Pazifik mit einem erwarteten Wachstum von 25 % pro Jahr am dynamischsten zulegt. Der größte Teil des Umsatzes entfällt heute auf Personenwagen mit rund 69 % Marktanteil und auf einfache Assistenzsysteme der Stufe Level 1.
Eine deutlich größere Zahl nennt eine Studie von Fortune Business Insights für das Jahr 2022. Sie beziffert den Markt für autonome Fahrzeuge damals auf 1.500,3 Mrd. USD und erwartet bis 2030 einen Sprung auf 13.632,4 Mrd. USD. Die dort ausgewiesene jährliche Wachstumsrate liegt bei 32,3 %. Asien Pazifik hält in dieser Lesart bereits 2022 einen Marktanteil von 50,44 % und profitiert von der hohen Dichte großer Fahrzeughersteller und Technologieunternehmen in China, Japan und Südkorea.
Hinzu kommt der spezialisierte Bereich militärischer Drohnen und unbemannter Land oder Seeplattformen. Eine von NaviStrat Analytics zitierte Projektion sieht diesen Teilmarkt von heute rund 55 Mrd. USD auf etwa 200 Mrd. USD in den kommenden fünf Jahren wachsen. Auslöser sind unter anderem höhere Verteidigungsetats in Europa und die breite Nutzung von Drohnen im Krieg in der Ukraine, wo auch kostengünstige Systeme aus 3D Druckern zum Einsatz kommen.
Starker Wachstumsmarkt für autonome Fahrzeuge
Die Studien sind sich in einem Punkt einig. Autonome Systeme werden vor allem über Software und Elektronik skaliert, nicht über das reine Blech. Grand View Research betont, dass Features wie adaptive Tempomaten, Spurhalteassistenten und automatisches Bremsen heute die größten Umsätze bringen. Level 1 dominiert den Markt, weil diese Funktionen in vielen Volumenmodellen serienmäßig oder gegen Aufpreis verfügbar sind.
Höhere Automatisierungsstufen wie Level 4 und 5, also weitgehend fahrerlose Systeme, tragen derzeit erst wenig Umsatz bei. Sie gelten aber in beiden Studien als die schnellsten Wachstumstreiber, vor allem in Logistik, Ride Hailing und Shuttle Diensten. Beispiele reichen von Robotaxi Tests in US Städten über Lieferroboter auf dem Firmencampus bis hin zu autonomen Pendelshuttles in Metropolen wie San Francisco oder Wuhan.
Auch der Blick auf die Fahrzeugtypen zeigt eine klare Reihenfolge. Personenwagen stehen derzeit im Mittelpunkt der Entwicklung, weil sie sowohl im Privatmarkt als auch im Plattformgeschäft von Uber, Didi und Co genutzt werden. Gleichzeitig sehen die Autoren der Studien das größte relative Wachstum bei Nutzfahrzeugen. Autonome Lastwagen, Lieferfahrzeuge und Spezialfahrzeuge für Werks und Hafenlogistik versprechen geringere Personalkosten und berechenbare Einsatzprofile.
Riesige Spannbreite bei Marktwachstumsprognosen
Die enorme Spreizung zwischen einem Markt von gut 200 Mrd. USD und mehr als 13.000 Mrd. USD im Jahr 2030 hängt vor allem an der Frage, was genau gezählt wird. Die eher niedrige Zahl von Grand View Research orientiert sich vor allem an Fahrzeugverkauf und eingebauter Hard und Software. Die sehr hohe Prognose von Fortune Business Insights legt nach allem Inhalt nahe, dass zusätzlich umfangreiche Mobilitätsdienstleistungen, Plattformumsätze und digitale Services einbezogen werden.
Die Studien unterscheiden auch nach Automatisierungsgrad. Level 1 bis 3 fassen klassische Fahrerassistenz zusammen, die das Fahren unterstützen, aber den Menschen am Steuer brauchen. Level 4 und 5 zielen auf den weitgehend oder vollständig fahrerlosen Betrieb ab. Laut Fortune Business Insights entfällt heute der Hauptteil der Umsätze noch auf Level 1 bis 3, während Level 4 und 5 als Entwicklungsprojekt vor allem in Testflotten und in abgegrenzten Zonen unterwegs sind.
Regulatorische Fragen bleiben ein Nadelöhr. In Deutschland sind seit 2021 Level 4 Fahrzeuge in definierten Betriebsbereichen erlaubt, sofern eine technische Aufsicht von außen eingreifen kann. In China wurden 2025 neue Regeln geschaffen, die Level 3 in Privatfahrzeugen erstmals klar zulassen und damit Anbietern wie Tesla (ISIN: US88160R1014, WKN: A1CX3T) einen Rahmen für Modelle mit höherer Automatisierung geben. Gleichzeitig zeigen Konflikte um Robotaxi Dienste in US Städten, dass Behörden Sicherheitsfragen und Haftung weiterhin kritisch sehen.
Rüstungs- und Techkonzerne positionieren sich
Besonders dynamisch entwickelt sich die militärische Seite des Themas. Drohnen für Aufklärung, Zielaufklärung und Angriffe sowie unbemannte Fahrzeuge am Boden oder zur See gelten in vielen Armeen als unverzichtbar, um Personal zu schonen und Risiken zu verlagern. Große Konzerne wie BAE Systems (ISIN: GB0002634946, WKN: 866131), Lockheed Martin (ISIN: US5398301094, WKN: 894648), Rheinmetall (ISIN: DE0007030009, WKN: 703000) und Northrop Grumman (ISIN: US6668071029, WKN: 851915) bieten ein breites Spektrum solcher Systeme an.
Daneben entstehen spezialisierte Anbieter, die sich fast vollständig auf autonome Systeme konzentrieren. AeroVironment (ISIN: US0080731088, WKN: A0MJX7) entwickelt etwa kleine Aufklärungsdrohnen und sogenannte Loitering Munitions für militärische Kunden. Kratos Defense and Security Solutions (ISIN: US50077B2079, WKN: A0YAND) arbeitet an unbemannten Luftfahrzeugen und Zieldrohnen, die sowohl als Übungsziele als auch perspektivisch als unbemannte Kampfsysteme dienen können.
Auf der zivilen Seite treffen klassische Autohersteller auf Technologiekonzerne. Alphabet bündelt mit Waymo seine Robotaxi Aktivitäten über die Muttergesellschaft Alphabet Inc Class A (ISIN: US02079K3059, WKN: A14Y6F). General Motors treibt über Cruise autonome Fahrdienste voran und ist über General Motors Co (ISIN: US37045V1008, WKN: A1C9CM) an der Börse vertreten. In Europa investieren Volkswagen (ISIN: DE0007664005, WKN: 766400) und Mercedes Benz Group (ISIN: DE0007100000, WKN: 710000) in Software definierte Fahrzeuge und urbane Shuttleprojekte. Zulieferer wie Valeo (ISIN: FR0013176526, WKN: A2ALDB) richten eigene Geschäftsbereiche auf Fahrassistenz und automatisiertes Fahren aus.
Unterm Strich zeichnen die Studien ein Bild eines Marktes, der technisch und politisch hoch umkämpft ist. Die Wege zum voll autonomen Massenbetrieb bleiben offen, doch die Investitionsentscheidungen fallen heute. Entscheidend wird sein, welche Player es schaffen, sich entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Sensorik und Halbleitern über Software und Plattformdienste bis hin zu militärischen Anwendungen tragfähig zu positionieren.