Geopolitik, KI und Raumfahrt treiben die Nachfrage nach Halbleitern für Militärsysteme. IBM und Intel positionieren sich, Staaten fördern heimische Fabriken. Experten erwarten starkes Wachstum bis Ende des Jahrzehnts.

Militärische Hightech hängt immer stärker an spezialisierten Halbleitern. International Business Machines (ISIN: US4592001014, WKN: 851399) gehört zu den wenigen vom US-Verteidigungsministerium als vertrauenswürdig eingestuften Chiplieferanten, während Intel (ISIN: US4581401001, WKN: 855681) Milliardenförderung für militärische Produktion in den Vereinigten Staaten erhält. Gleichzeitig wächst der globale Markt für Halbleiter in Militär und Luft- und Raumfahrt deutlich.

Strategische Studien sehen das Volumen der speziellen Militär- und Luftfahrtchips bei rund 9,6 Mrd. USD im Jahr 2024, mit einem erwarteten Anstieg auf 15,5 Mrd. USD bis 2030. Das entspricht einer jährlichen Wachstumsrate von 8,4 %. Je nach Abgrenzung des Marktes wird das Segment sogar auf etwa 25 Mrd. USD geschätzt, was die wirtschaftliche Bedeutung der Nische unterstreicht.

IBM und Intel stärken ihre Rolle in der Rüstung

IBM positioniert sich im Verteidigungsbereich als Technikanbieter, der deutlich über klassische Rüstungsfirmen hinausgeht. Das Unternehmen liefert Mainframes, spezialisierte Chips und Hardware-Security-Module, die in militärischen Systemen eingesetzt werden. Viele Produkte sind klassifiziert, entscheidend ist der Status als vertrauenswürdiger Lieferant des Pentagon.

Weil Losgrößen klein und Anforderungen extrem sind, können Anbieter von Militärchips hohe Preise verlangen. Regierungen zahlen für geprüfte Zuverlässigkeit und Sicherheit, da ein Ausfall in einem Waffensystem ungleich gravierender wäre als in einem Smartphone. Für IBM entsteht daraus ein margenträchtiges, wenn auch volumenmäßig begrenztes Geschäftsfeld mit enger Bindung an staatliche Auftraggeber.

Intel wiederum erhält 3 Mrd. USD an direkter Förderung, um militärische Halbleiter in den Vereinigten Staaten zu fertigen. Die Mittel stammen aus dem CHIPS and Science Act, der heimische Chipproduktion und Forschung für sicherheitsrelevante Anwendungen absichern soll. Zusätzlich zu einer früheren Zusage von 8,5 Mrd. USD entstehen so Projekte in mehreren US-Bundesstaaten, die zusammen Investitionen von über 100 Mrd. USD auslösen sollen.

„Intel ist stolz auf unsere laufende Zusammenarbeit mit dem US-Verteidigungsministerium, um Amerikas Verteidigungs- und Sicherheitssysteme zu stärken“, sagte Chris George, Chef von Intel Federal. Die US-Handelsministerin Gina Raimondo betonte, die Vereinbarung solle sicherstellen, dass führende Chips für wirtschaftliche und nationale Sicherheit im eigenen Land entstehen.

Spezialchips für extreme Einsatzbedingungen im Fokus

Halbleiter für militärische Anwendungen müssen deutlich mehr aushalten als handelsübliche Chips. Sie sollen bei extremen Temperaturen, großen Höhen, starken Vibrationen und hoher Strahlung zuverlässig funktionieren. Ob in Marschflugkörpern, Kampfjets oder Radaranlagen, ein Ausfall im Einsatz ist keine Option. Entsprechend niedrig sind die akzeptierten Fehlerraten.

Hinzu kommt der Sicherheitsaspekt. Militärchips werden gegen Manipulation, Sabotage und Hacking gehärtet. Techniken reichen von Hardware-Verschlüsselung über gesicherte Boot-Prozesse bis zu Anti-Tamper-Technologien, die ein Auslesen oder Zerlegen der Bauteile verhindern sollen. Teilweise sind Selbstzerstörungsmechanismen vorgesehen, falls Hardware in die Hände eines Gegners fällt.

Militärische Systeme bleiben oft Jahrzehnte in Betrieb, etwa Transportflugzeuge oder Raketenabwehrsysteme. Die Halbleiter müssen deshalb über lange Zeit verfügbar bleiben und kompatibel bleiben, auch wenn die zivile Elektronikbranche längst mehrere Technologiesprünge weiter ist. Normen wie MIL-STD und Luftfahrtstandards definieren strenge Prüf- und Dokumentationspflichten, was Entwicklungszeiten verlängert und Kosten erhöht.

Parallel verschiebt sich die Intelligenz der Systeme an den Rand. Sensoren, Drohnen und Satelliten erhalten Chips mit integrierten KI-Funktionen, die Daten direkt an Bord auswerten. Ein Verteidigungsingenieur beschreibt diesen Wandel so, dass unbemannte Systeme ohne Verzögerung durch Datenlinks handeln können und dadurch autonomer und gefährlicher werden.

Geopolitik und Raumfahrt treiben die Marktdynamik

Strategic Market Research erwartet für den weltweiten Markt für Halbleiter in Militär und Luft- und Raumfahrt ein Wachstum von 9,6 Mrd. USD im Jahr 2024 auf 15,5 Mrd. USD im Jahr 2030. Besonders dynamisch ist das Segment Raumfahrt, da Konstellationen von Satelliten für Aufklärung, Kommunikation und Navigation neue Nachfrage nach strahlungsfesten Chips und langlebigen Speicherbausteinen erzeugen.

Leistungsstarke HF-Halbleiter sind zentral für Radar, elektronische Kampfführung und Satellitenkommunikation. Leistungsbauelemente für Bordnetze in Luft- und Raumfahrt machten 2024 rund 21,3 % des Umsatzes aus. Auf der Nachfrageseite dominieren Verteidigungsbehörden, doch private Raumfahrtfirmen werden zu wichtigen Taktgebern, da sie hohe Stückzahlen und schnelle Entwicklungszyklen in den Markt bringen.

Regional führt Nordamerika mit einem Anteil von rund 42 % des Marktes. Europa kommt auf etwa 24 % und setzt stark auf gemeinsame Programme über die Europäische Weltraumorganisation und EU-Initiativen. Asien-Pazifik wächst mit einer geschätzten jährlichen Rate von über 10 % und wird durch Modernisierungsprogramme in China, Indien, Japan und Südkorea geprägt. Der Nahe Osten, Afrika und Lateinamerika liegen noch deutlich zurück, bauen aber gezielt Kompetenzen auf.

Auf der Unternehmensseite treffen klassische Rüstungskonzerne wie Raytheon, Northrop Grumman und BAE Systems auf spezialisierte Halbleiteranbieter wie Microchip Technology, Infineon, Texas Instruments und Teledyne. Besonders gefragt sind Firmen, die von der Chiparchitektur über die Fertigung bis zur Strahlungserprobung und Lieferzusicherung alles aus einer Hand bieten. Das verschafft im Wettbewerb um sicherheitskritische Aufträge einen deutlichen Vorteil.

Staaten werten Halbleiter inzwischen ausdrücklich als sicherheitsrelevante Güter. Programme wie die Trusted-Foundry-Initiativen des US-Verteidigungsministeriums, nationale Chipstrategien in Europa und Indien sowie Exportkontrollen sollen Abhängigkeiten verringern. Ein Berater des Pentagons formuliert es so, dass die US-Verteidigungsstrategie Halbleiter zunehmend als Gefechtsfeldressource betrachtet, nicht nur als Bauteil.

Das eröffnet Chancen für etablierte Anbieter wie IBM und Intel, erhöht aber auch den politischen Druck. Wer in diesem Markt wachsen will, muss hohe Investitionen, lange Zertifizierungsprozesse und komplexe Regulierungen akzeptieren. Am Ende geht es nicht nur um Technik, sondern um die Frage, welche Staaten die Schlüssel zur nächsten Welle militärischer Digitalisierung in der eigenen Hand behalten.