Das eigene Immunsystem auf Krebszellen abrichten und so die Krankheit oft dauerhaft besiegen: Dies verspricht die CAR-T-Zell-Therapie. Die Krebsimmuntherapie kann beeindruckende Remissionsraten bei Blutkrebspatienten vorweisen, befindet sich aber noch immer in einem frühen Entwicklungsstadium.

Weitere Einsatzgebiete werden durch große Pharmaunternehmen erforscht, die das enorme Potenzial des Marktes längst erkannt haben. Wir werfen einen Blick auf den neuen Biotech Megatrend und stellen einige CAR-T Aktien vor.

CAR-T Immuntherapie: Größte medizinische Revolution seit Louis Pasteur?

Krankheit bleibt eine Geißel der Menschheit. Manche Krankheiten können unserem Leben ein jähes Ende setzen.

Diesem Schicksal schien auch der neunjährige Bäckersohn Joseph Meister aus dem Dorf Meisengott nahe des heutigen Villé im Elsass erlegen zu sein. Der tollwütige Hund des örtlichen Delikatessenhändlers Theodore Vone hatte den Jungen 14 mal gebissen.

Die Tollwut bedeutet, einmal ausgebrochen, bis heute den sicheren Tod. Doch am 6. Juli 1885 nahm die Geschichte einen anderen Lauf. Der behandelnde Arzt vor Ort berichtete von einer Entdeckung des Louis Pasteur, der sich der Entwicklung einer Tollwutimpfung gewidmet hatte. Diese war zu diesem Zeitpunkt bei Hunden erfolgreich getestet worden – und wurde nun auch Joseph Meister zuteil, der so dem Tod von der sprichwörtlichen Schippe sprang.

So wie der neunjährige Joseph aus dem Elsass im Jahr 1885 fühlen sich auch heute noch viele Menschen, denen eine schwerwiegende, lebensbedrohliche Krankheit diagnostiziert wird. So, wie Louis Pasteur im ausgehenden 19. Jahrhundert eine medizinische Revolution gelang, steht ein solcher Fortschritt möglicherweise auch heute bevor: Die Heilungschancen bei bestimmten Krebsarten scheinen durch die Biotech Innovation dramatisch zu steigen.

Worum es geht: Die CAR-T-Zell-Therapie. CAR steht für Chimeric Antigen Receptor, auch bekannt als Krebsimmuntherapie. Bei diesem Verfahren werden aus dem Blut krebskranker Patienten T-Zellen gewonnen, die körperfremde Strukturen auf körpereigenen Zellen erkennen. Diese T-Zellen werden im Labor gentechnisch verändert. Durch diese Veränderung bilden die T-Zellen auf ihrer Oberfläche sogenannte Chimäre Antigenrezeptoren – CAR. Diese Rezeptoren richten sich gegen spezifische Oberflächenproteine des Krebses.

Anders gesagt: Menschlichen Immunzellen werden gezielt auf den individuell analysierten Krebs hin spezialisiert, gewissermaßen also „abgerichtet“. Die CAR-T-Zellen werden dem Patienten anschließend zugeführt und vermehren sich im Organismus. Dort lösen sie eine starke Immunreaktion gegen die Krebserkrankung aus.

Diese Immunreaktion bekämpft die Erkrankung häufig nicht nur besser als die standardmäßig eingesetzten Chemo- und Bestrahlungstherapien. Die manipulierten T-Zellen verbleiben über lange Zeit im Organismus und erkennen Krebszellen frühzeitig, falls sie zurückkehren.

Das medizinische Potenzial der Immuntherapie

Das Verfahren wird bislang vor allem bei Blutkrebs eingesetzt, mittlerweile aber auch für andere Krebsarten erforscht. Die Erfolgsrate scheint durchschlagend.

Wie etwa das Lancaster General Hospital im Osten der USA berichtet, erreichten Studien zufolge 9 von 10 Menschen mit akuter lymphoblastischer Leukämie, deren Krebs auf andere Behandlungen nicht ansprach oder deren Krebs zurückkam, mit der CAR-T -Zell-Therapie eine vollständige Remission. Remission bedeutet, dass der Krebs im Test nicht mehr nachgewiesen werden kann.

Die vollständigen Remissionsraten für chronische lymphatische Leukämie und Non-Hodgkin-Lymphom liegen bei 35–70 %. Von diesen Patienten hat etwa ein Drittel langanhaltende Remissionen erfährt also einen Rückgang der Krankheitssymptome. Im verbundenen Penn Medicine in Philadelphia können alle Lymphome, Myelome und Leukämien behandelt werden.

Das ökonomische Potenzial der CAR-T-Zell-Therapie (Krebsimmuntherapie)

Wo Heilung schwerer Krankheiten in greifbare Nähe rückt, besteht auch großes Marktpotenzial. Bislang ist die CAR-T-Zell-Therapie noch eine medizinische und ökonomische Nische. Dies liegt auch an den hohen Kosten. In den USA fallen für eine Behandlung mit dem Medikament Kymriah (Novartis) 370.000 USD an. Yescarta (Kite/Gilead) kostete 475.000 USD. Die Therapie ist bislang (prinzipiell) in Nordamerika, Europa, China, Australien, Singapur, dem Vereinigten Königreich, Brasilien und einigen weiteren Ländern erhältlich.

2021 belief sich die Marktgröße für die CAR-T-Zell-Immuntherapie  auf 1,7 Milliarden USD. Bis 2031 wird der Markt jedoch Studien zufolge auf 6,1 Milliarden USD anwachsen. Dies entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 13,5 %. Die Nachfrage wird durch eine steigende Zahl von Krebserkrankungen weltweit ebenso angetrieben wie die Offenheit vieler Gesundheitssysteme im Hinblick auf die Erstattung der Kosten. Unterstützend wirken auch die dynamischen Studienaktivitäten durch Pharma-Unternehmen und Universitäten.

Die Corona Pandemie hatte das Marktwachstum zeitweise unterbrochen. Corona Patienten wurde bei der Behandlung Vorrang eingeräumt, Studienaktivitäten verlangsamten sich unter den Pandemiebedingungen, Einschränkungen bei Reisen und Grenzübertritt beeinträchtigten die Lieferketten der Medizinprodukte. Nach dem Abklingen der Pandemie scheint der weitere Wachstumspfad der CAR-T-Zell-Therapie nun jedoch geebnet. Für Pharmakonzerne geht es darum, die Sicherheit der Anwendung zu erhöhen, neue Anwendungsgebiete zu erschließen und den Produktionsprozess auch im Hinblick auf die Kosten zu optimieren. Außerdem arbeiten die Unternehmen noch an der weltweiten Verfügbarkeit.

Krebszellen-Immuntherapie (CAR-T): Diese Aktien könnten davon profitieren

Eine Vielzahl von Unternehmen ist mit der Forschung und Entwicklung im Bereich der CAR-T Krebsimmuntherapie beschäftigt. Fünf CAR-T  Aktien könnten einen Blick wert sein:

  • Novartis (WKN: 904278, ISIN: CH0012005267)
  • Gilead (WKN: 885823, ISIN: US3755581036)
  • Allogene Therapeutics (WKN: A2N6WN, ISIN: US0197701065)
  • Johnson & Johnson (WKN: 853260, ISIN: US4781601046)
  • Bellicum Pharmaceuticals (WKN: A2PZPL, ISIN: US0794814048)

 Novartis (WKN: 904278, ISIN: CH0012005267)

Novartis ist ein Biotech- und Pharma-Unternehmen aus dem schweizerischen Basel und gilt als Pionier in der CAR-T-Zell- und Gentherapie. Dem Unternehmen gelang die Entwicklung der CAR-T-Zelltherapie als zugelassene Behandlung für maligne B-Zell-Erkrankungen.

Das Medikament Kymriah  wurde 2017 in den USA und 2018 in der EU zugelassen und wird zum Beispiel bei erwachsenen Patienten mit rezidiviertem Blutkrebs nach mindestens zwei systemischen Therapien eingesetzt.

Das Unternehmen forscht weiter und will die Wirksamkeit und Sicherheit für Patienten verbessern – aber auch neue Zelltherapien und Antigen-Targets identifizieren.

Die Aktie des Unternehmens notiert rund 20 % unter den Höchstständen, die vor der Corona Pandemie erreicht worden waren. Im Vorfeld der Pandemie hatte die Aktie einen starken Aufwärtstrend hingelegt und war von Anfang 2018  bis Anfang 2020 von 55 EUR auf mehr als 90 EUR gestiegen.

Gilead Sciences (WKN: 885823, ISIN: US3755581036)

Gilead ist ein S&P 500 gelistetes Pharma und Biotech Unternehmen aus Kalifornien. Mit einer Marktkapitalisierung von mehr als 90 Milliarden EUR gehört das Unternehmen zu den größten Akteuren im CAR-T-Bereich – und gilt auch als besonders ambitioniert.

2017 übernahm Gilead Kite Pharma für 12 Milliarden USD. Kurz darauf war Kite Pharma das zweite Unternehmen, das die Zulassung einer CAR-T-Zell-Therapie durch die US Gesundheitsbehörde erreichte: Das Medikament Yescarta gelangte auf den Markt.

Eine weitere Übernahme folgte im Dezember 2017 mit Cell Design Labs. Das Biotherapeutika-Unternehmen will die Krebstherapien der Zukunft entwickeln und verfügt über zwei einzigartige technologische Plattformen im Bereich der Krebsimmuntherapie.

„Throttle“ ist eine Art „Ein/Aus“-Schalter, der die Kontrolle der CAR-T-Zellaktivität ermöglicht „synNotch“  ist ein synthetisches Genexpressionssystem, das eingesetzt werden kann, um CAR-T-Zellen zu konstruieren.

Der Aktienkurs hatte zuletzt ein Stück weit korrigiert, nachdem der Wert der Aktie von 55 EUR Anfang 2022 auf bis zu 85 EUR Ende des vergangenen Jahres angestiegen war.

Allogene Therapeutics (WKN: A2N6WN, ISIN: US0197701065)

Allogene Therapeutics wurde im April 2018 durch zwei ehemalige Führungskräfte von Kite Pharma gegründet und konnte prompt 300 Millionen USD an Investorengeldern einsammeln. Im Monat der Gründung wurde ein Großteil CAR-T-Assets des Pharma-Unternehmens Pfizer erworben, das im Gegenzug eine 25-prozentige Beteiligung an Allogene Therapeutics erhielt.

Mit den Mitteln der Investoren soll das Portfolio von CAR-T Therapien weiterentwickelt werden. Das Portfolio enthält die Rechte an 16  präklinischen CAR-T-Produkten und einem klinischen Produkt.

Der Aktienkurs des Unternehmens ist derzeit so niedrig wie nie seit dem IPO. Zuletzt gab es aber Anzeichen einer Stabilisierung.

Johnson & Johnson (WKN: 853260, ISIN: US4781601046)

Auch der US-amerikanische Pharmazie- und Konsumgüterhersteller Johnson & Johnson ist im Bereich der Krebsimmuntherapie aktiv. Die Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) verlieh dem Konzern den PRIME-Status (PRIority MEdicines) für die CAR-T-Therapie mit B-Zellreifungsantigen. Durch den Status können Entwicklungsländer optimiert und wissenschaftliche Fortschritte beschleunigt werden.

Die Aktie des Unternehmens von 2012-2020 nahezu durchgängig einem Aufwärtstrend. Zuletzt korrigierte das Papier jedoch vergleichsweise deutlich.

Bellicum Pharmaceuticals (WKN: A2PZPL, ISIN: US0794814048)

Bellicum Pharmaceuticals – ganz  in der Nähe des Houston Medical Center in Texas ansässig – entwickelt innovative zelluläre Immuntherapien für Krebs und Blutkrankheiten. Die GoCAR-T-Technologie des Unternehmens enthält einen Mechanismus der CAR-T-Zellen aktiviert, wenn er sowohl durch den Proteindimerisierer  Rimiducid als auch durch das auf der Oberfläche der Krebszellen exprimierte Zielantigen ausgelöst wird. GoCAR-T-Zellen sind so konzipiert, dass sie nur dann vollständig aktiviert werden, wenn sie sowohl den Krebszellen als auch Rimiducid ausgesetzt sind. Dies optimiert die therapeutischen Steuerungsmöglichkeiten.

Mit einer Marktkapitalisierung von lediglich 7,5 Millionen EUR ist Bellicum Pharmaceuticals einer der kleineren Player im CAR-T Segment. Die Aktie hat seit dem IPO nahezu ihren gesamten Wert verloren. In letzter Zeit mehren sich jedoch rein charttechnisch die Anzeichen für eine Stabilisierung.

Fazit: Die CAR-T Immuntherapie ist nicht aufzuhalten

Die CAR-T Technologie befindet sich noch in einem frühen Stadium, weckt jedoch bereits jetzt mehr als Fantasien bei Forschern und Medizinern. Die therapeutischen Möglichkeiten wurden schon durch die wenigen verfügbaren Produkte teils drastisch erweitert. In den kommenden Jahren könnten weitere Forschungsergebnisse und Entwicklungen das volle Potenzial des Verfahrens erst noch heben.

Nicht umsonst geben Pharma- und Biotechunternehmen hohe Summen für F&E sowie strategische Übernahmen aus. Anleger können mit CAR-T Aktien profitieren. Wer von einer bestimmten Forschungsidee überzeugt ist, setzt auf kleinere Unternehmen mit entsprechend höherem Risiko. Die Aktien der größeren Unternehmen ermöglichen ein langfristig erfolgsversprechendes Investment bei weniger großem Risiko.